Copyright: Reiner Bajo / Courtesy of Netflix
Fast schon schneidet es einem die Luft ab, wenn man sieht, wie Menschen leiden. Im Westen nichts Neues zeigt uns das Greuel des Krieges in all seinen Facetten. Es ist ein schrecklicher Film, aber nicht, weil er schlecht ist. Seine Schrecklichkeit erzeugt er durch das Thema, den ersten Weltkrieg, dass er schonungslos abbildet. Denn er weiß genau, wie er die Sinnlosigkeit des Geschehens an den Zuschauer heranbringt, um ihn traurig, wütend und fassungslos zu machen.
Paul, ein 17-jähriger Schüler aus Norddeutschland, meldet sich zum Kriegsdient an der Westfront. Er und seine Freunde fiebern nach den Reden ihres Lehrers regelrecht davon, an die Front zu kommen und für ihr Vaterland zu kämpfen. Denn, so sagt man ihnen, sie werden schon bald in Paris sein. Doch dort angekommen, macht sich früh die Ernüchterung breit. Und nicht nur das: Langsam dämmert ihnen, auf was sie sich dort eingelassen haben. Ihnen bleibt kein Leid, kein Schrecken des Krieges erspart, der nach ihrem Einzug noch ein ganzes Jahr gehen wird. Schon bald wird Paul, der Protagonist des Films, damit konfrontiert, dass ein Freund von ihm unter den Opfern eines Angriffs auf ihre Stellung wird. Ein Schlüsselerlebnis, dass ihn den Boden unter den Füßen wegzieht.
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Während dieses Höllenritts freundet sich Paul mit Stanislaus Katczinsky an, der für ihn als Vorbildfigur fungiert. Währenddessen versucht der deutsche Unterhändler Matthias Erzberger, einen Waffenstillstand mit den Alliierten auszuhandeln und muss dafür gegen die Überzeugung der deutschen Generäle ankämpfen. Denn ihre Devise lautet, niemals aufzugeben und für Ruhm und Ehre für das Vaterlande in die Schlacht zu ziehen. Einen Preis, den nicht sie, sondern die jungen Soldaten bezahlen müssen.
Im Westen nichts Neues von Edward Berger ist in vielfältiger Hinsicht eine Überraschung. Er ist nicht nur der wohl beste von Netflix produzierte Film, den man wohl bisweilen gesehen hat. Er ist auch seit langem einer der besten deutschen Produktionen. Das macht Mut, auch wenn es das Thema ganz und gar nicht tut. Die Inszenierung der 148 Minuten sucht ihresgleichen, denn sie schafft einen Spagat, der trotz der allgemein bedrückenden und schrecklichen Szenen Momente der Ruhe und des Nachdenkens schafft. Ruhe, die man braucht, um die gesehenen Schrecken zu verarbeiten.
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Denn im Laufe des Films sterben Menschen, viele sogar. Und auch welche, mit denen der Protagonist eine Beziehung aufbaut oder aufgebaut hat. Aber auch Soldaten, die auf der anderen Seite kämpfen und die Paul zunächst in völligem Adrenalinrausch zur Strecke bringen will und erst danach realisiert, was er getan hat. Aber, und das vermittelt der Film so gut, auf dem Schlachtfeld finden wir das Schrecken, aber nicht die Verantwortlichen. Denn diejenigen, die derlei Befehle geben, sitzen bei Wein, Braten und Gebäck in sicherer Entfernung. Sie scheitern mit ihrem Schreien nach Ehre und Patriotismus an der Realität, die nur Tod und Verderben kennt. Wer den Verlauf des ersten Weltkriegs kennt, der weiß, dass dieser sich bereits früh in einen festgesetzten Stellungskrieg entwickelte. Ein Krieg, bei dem um hunderte Meter Millionen von Menschen ihr Leben ließen.
Die Bilder von Im Westen nichts Neues sind intensiv, begleiten mal Paul in der Nahaufnahme, mal lassen sie uns auf das Schlachtfeld blicken. Und ab und zu, so wie zu Anfang und Ende, fangen sie die Schönheit der Natur ein, die jäh von einem Krieg der Menschen mit ihren Maschinen gestört wurde. Eingefangen wird dies zudem vom grandiosen Soundtrack. Sicherlich keiner, bei dem eine bestimmte Melodie im Kopf hängen bleibt. Vielmehr eine intensive Untermalung des Gezeigten und eine Verbindung klassischer Instrumente mit elektronischen Einschüben, die einen vielleicht zunächst verwundern, aber unglaublich passend zu der Thematik sind.
Copyright: Reiner Bajo / Courtesy of Netflix
Auch die Schauspieler, vor allem Paul (Felix Kammerer) spielt in diesem Film unglaublich überzeugend. Es ist schrecklich, ihn auf seinem Leidensweg zu sehen, seine Rückschläge zu teilen und ihm den schrittweisen Verfall im Gesicht anzusehen. Ein Ausdruck, der die Leere ihn ihm nach alldem was geschehen ist zeigt.
Im Westen nichts Neues ist ein Film, der viel abverlangt. Anders als man es vielleicht von Produktionen der Streaminganbieter gewohnt ist, zeugt dieser Film von hoher Kunst. Aber, und das ist ganz wichtig, man muss diesen aufwühlenden Streifen aushalten können. Denn er ist kein Film, den man einfach mal anschaltet und erst recht keiner, den man einfach so wieder abschüttelt. Was er zeigt, ist so wichtig wie schrecklich, so brutal wie aktuell. Man möchte laut aufschreien und sich fragen, warum es Krieg auf der Welt geben muss nach alldem, was die Menschheit bereits durchlebt hat, welch bittere Erfahrungen schon gemacht wurden. Doch diejenigen, die zum Angriff befehlen, die werden wohl nie zur Rechenschaft gezogen. Und das ist das perfide am Krieg, das hat uns Berger mit diesem Film zeigen können. Am Ende gibt es keinen Sieger, auf dem Schlachtfeld wird immer nur verloren.
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