Carl und Yaya aollen ihren Aufenthalt genießen. Doch es stört Carl, dass ein Crewmitglied mit freiem Oberkörper umherläuft.

Copyright: Fredrik Wenzel / AlamodeFilm

Eine große Yacht mitten auf hoher See. Bewaffnete Wachen stehen auf dem Deck, ein Helikopter steuert auf das Schiff und wirft ein wichtig aussehendes Paket ins Wasser. Sogleich wird es von den Wachleuten aus dem Meer gezogen und in das Schiff gebracht. Doch was ist Geheimnisvolles und Wichtiges in diesem Paket? Drogen, Geld oder Waffen? Nun nichts dergleichen und die Antwort scheint so absurd, dass wohl niemand sie erraten könnten. Es handelt sich hierbei um drei Gläser einer italienischen Nuss-Nougat-Creme, die ein Gast doch so gerne zum Frühstück bekommen möchte. Diese Szene fasst die Prämisse des Films Triangle of Sadness von Ruben Östlund eigentlich ganz gut zusammen, denn hier geht es vor allem um die Absurditäten der Schönen und Reichen einer scheinbar klassenlosen Gesellschaft, in der Geld die Abstufungen neu erfindet. Aber auch, wie sich solche Machtverhältnisse neu erfinden können.

Jeden Wunsch zu erfüllen bedeutet für die Crew leider auch, jede schwachsinnige Idee auszubaden.

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Nun aber von vorn: Triangle of Sadness ist kein klassisch aufgebauter Film, denn wir sehen hierbei drei Akte. Der erste führt uns zu den beiden vermeintlichen Hauptcharakteren des Films, Carl (Harris Dickinson) und Yaya (Charlbi Dean). Sie beide sind als Models in der Modebranche tätig und verdienen durch ihr Äußeres Geld. Aber, und das macht Östlund hier deutlich, die Verhältnisse des Verdienstes sind in dieser Branche umgekehrt. Yaya ist finanziell besser aufgestellt und das bleibt auch aufgrund vorherrscher geschlechtlicher Rollenbilder nicht konfliktfrei. Etwa wenn es um das Zahlen des Abendessens geht, das in einen handfesten Streit um Geschlechterrollen und Erwartungen mündet. Im zweiten Akt finden wir die Beiden auf einer Yacht wieder, auf der sie dank dem Influencerinnen-Dasein von Yaya kostenlos ein Zimmer ergattern konnten. Dort treffen sie auf allerlei skurrile, schrullige und ernste Charaktere, die aber eines gemeinsam haben: Sie sind steinreich und können sich eine solche Reise nur zu gut leisten. Und natürlich alle möglichen Extras, die sie nur wollen. Darauf spielt sich auch schon die Crew ein, angeleitet von Chefin Paula. Ziel sei es, keinen Wunsch abzuschlagen, nichts abzulehnen. Untergebenheit in Reinkultur. Und derlei schräge Wünsche finden sich häufig.

Der Kapitän hat sich endlich zu einem Dinner mit den Gästen bereiterklärt. Allerdings zum schlechtesten Zeitpunkt.

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Triangle of Sadness schafft es, skurrile Momentaufnahmen einzufangen und einen sprachlos zurückzulassen. Als eine Passagierin die gesamte Crew anweist, schwimmen zu gehen und Spaß zu haben, lacht man erst drauf los und merkt dann, wie absurd diese Situation eigentlich ist. Denn die als nette Geste scheinende Aktion zeigt die Macht der Wohlhabenden über das ihr untergeordnete Personal. Der Film kostet diese Momente aus. Es ist ein langsamer Film, der stark durch seine Dialoge und Charakterzeichnungen durch ebendiese Momente lebt. Auch die schauspielerische Leistung ist dabei stets auf herausragendem Niveau. Ob das viel begleitete Modeprächen, der mit Dünger reich gewordene Milliardär aus der ehemaligen Sowjetrepublik oder auch Therese (Iris Berben), die aufgrund eines Schlaganfalls nicht mehr als die Worte „In den Wolken“ in verschiedenen Tonlagen zu sprechen vermag: Sie alle glänzen durch ihre Eigenheiten, ihre gelebte und gleichsam gehasste Lebensart. Beim Captains Dinner erleben der Film einen Höhepunkt, es sprudelt bei rauem Wellengang nur so von Säften und Ergüssen aus jedweden Körperöffnungen, für deren Inszenierung sich der Film sehr viel Zeit lässt. Garniert wird dies mit dem Austausch von Gedanken, Marxzitaten und kapitalistischen Abhandlungen zwischen einem Gast und dem Kapitän. Eine Mischung aus Ekel, Faszination und Humor, dessen Kombination man vermutlich lange so nicht gesehen hat.

PLötzlich mischen sich die Karten neu, denn die Gäste sind mit ihrer Situation überfordert.

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Höhepunkt ist diese Szene auch deshalb, weil der dritte Akt (aus Spoilergründen erwähne ich zu der Geschichte des dritten Akts nichts) ein wenig an Fahrt verliert. Sicher, auch hier finden wir noch geistreiche, ernste und auch lustige Szenen vor. Und doch fühlt sich der Film hier ein klein wenig zu lang an. Östlunds Aussage, sofern man eine hineininterpretieren möchte, könnte am Ende heißen: Der Kapitalismus ist personenunabhängig und wird sein Gesellschaftsgefälle immer durch unterschiedliche Zugänge bilden: Wissen, Geld oder Produktionsmittel, die nie im gleichen Maße zur Verfügung stehen. Aber dieser Zustand kann nie als sicher für die Beteiligten gelten. Wer zuvor noch durch seinen Reichtum an Ansehen genoss, kann sich im nächsten Moment möglicherweise nicht sein notwendiges Essen zubreiten.

Vielleicht will uns Ruben Östlund einfach nur die Absurdität und den Zynismus unserer Gesellschaft in einfallsreichen Bildern darlegen. Als wir etwa in eine Modenschau entführt werden, prangt zunächst ein großer Schriftzug mit den Worten „There is a new climate…“ und später mit Ergänzung „for fashion“. Mit dem Hintergrund des Ausmaßes an Umweltbelastung, die die Modeindustrie erzeugt, lässt dies nur noch ein bitterböses Schmunzeln zu, welches schon fast Schmerzen bereitet. Triangle of Sadness packt dies in tolle Bilder, angereichert mit einem bunten Mix aus klassischen Stücken und Pop-Songs – Der Film lässt die Bilder für sich sprechen. Und versteht, den gelebten Weltschmerz mit Komik zu verbinden. Vielleicht liegt die Lösung in den Wolken.

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