Es ist Samstag und schneit. Beste Voraussetzungen für einen Tag mit dem besten Freund.

Copyright: Netflix

Als Heartstopper im vergangenen Jahr auf Netflix erschien, dauerte es nicht lange, bis die sechs Folgen lange Serie zu einem Hit avancierte. Und das hat wohl selbst das Produktionsteam, die Schauspieler:innen und den kreativen Kopf hinter dem Projekt, Alice Oseman, die sich schon verantwortlich für die gleichnamigen Comics zeichnete, überrascht. Wie ist es nun gekommen, dass eine kleine britische Produktion solch eine Aufmerksamkeit und Fantum erzeugen kann?

Worum gehts eigentlich?

Wer Heartstopper in einem Satz erklärt haben will, dem kann man wohl sagen, dass es sich um eine Teenager-Serie handelt, die deren Alltag und Probleme zeigt. Mit einem wesentlichen Kniff: Die Hauptcharaktere dieser Show sind queer. Und damit kommen zu den typischen Problemen, die in einer Coming-of-Age-Serie vorkommen, noch weitaus größere Herausforderungen hinzu. Hauptsächlich begleiten wir in der Serie die Figur Charlie Spring, einen 15-jährigen Jungen, der ein etwas außenseiterisches Leben führt. Nachdem er sich geoutet hatte, folgte eine schwierige Zeit voller dummer Sprüche und Mobbing. Diese Zeit wird jedoch nur angedeutet und nicht, wie bei Serien und Filmen des gleichen Genres, als Aufhänger genutzt. Er befindet sich in einer Clique aus Tao, Isaac und Elle, die ihm in der schweren Zeit unterstützen und viel Zeit gemeinsam verbringen.

Zu Beginn des Schuljahres wird Charlie neben Nick Nelson, den gefeierten Rugbyspieler des Schulteams, an einen Tisch gesetzt. Die beiden freunden sich an und Charlie entwickelt immer stärkere Gefühle, will jedoch nicht die Freundschaft aufs Spiel setzen. Zugleich hat Nick ganz andere Probleme. Er fühlt sich auch zu Charlie hingezogen und das stellt sein Leben ganz schön auf den Kopf. Bisher dachte er, nur Gefühle für Mädchen zu haben. Wie soll er damit umgehen, wem sich anvertrauen?

Als Nick das erste Mal einen Ausflug mit Charlies Freund:innen macht, wird er direkt herzlich aufgenommen. Nur Tao kanbbert etwas an dem Neuzugang.

Copyright: Netflix

Hier wirkt die Geschichte von Heartstopper nicht wirklich wie eine, die wir im queeren Film- und Serienbereich nicht schon gesehen hätten. Doch die Art und Weise sowie die Charaktere sind es, die Heartstopper zu einer Besonderheit im queeren Coming-of-Age-Genre macht.

Kein Drama – Aber auch nicht anspruchslos

Auch wenn der Plot es möglicherweise wirken lässt, ist Heartstopper gar nicht so dramatisch, wie wir es sonst gewohnt sind. Sicher, auch diese Serie bedient sich mal einem Cliffhanger oder baut eine Verstrickung auf, die die Annäherungen von Charlie und Nick ausbremsen lässt. Und auch Nebencharaktere lassen sich erkennen, die grundlegend unsympathisch sind und die Rolle der Antagonisten einnehmen. Diese Antagonisten finden wir im Freundeskreis von Nick, der hauptsächlich durch das Rugbyspielen geprägt ist. Hier tut sich Harry als Anführer der Gruppe hervor, der grundlos andere Mitschüler terrorisiert.

Charlies und Nicks Freundschaft beginnt zu wachsen und andere Gefühle übernehmen. Nur können sie es dem Anderen nicht eingestehen.

Copyright: Netflix

Aber auch Ben, der zuvor eine heimliche „Beziehung“ mit Charlie führte, weil er sich nicht outen wollte, versucht Charlie des Öfteren zu erniedrigen. Leider auch mit Erfolg. Auch wenn diese Konflikte meist schon nach wenigen Momenten entschärft werden, so entwickeln wir doch eine starke Antipathie gegen ebenjene Antagonisten in der Serie. Und sie zeigen uns, in welch komplizierter Situation sich Charlie und Nick befinden. Sie sind Teil eines Prozesses, den die Beiden durchmachen und der zum Erwachsen- und Bewusstwerden von queeren Jugendlichen allzu oft dazugehört. Heartstopper ist nicht anspruchslos, weil es wichtige Beobachtungen zeigt, relevante Fragen stellt. Nick, der in einem maskulinem Umfeld in der Schule seine Zeit verbringt, weiß nicht, wie er mit seinen neu entdeckten Gefühlen umgehen soll und was wohl Andere dazu sagen, wenn er sich outet. Deshalb ist es ihm zunächst wichtig, dass auch Charlie niemandem davon erzählt. Denn er weiß nicht, wie sein Umfeld darauf reagiert; Ein absolut nachvollziehbares Gefühl. Auch wenn wir mittlerweile auch in diesem Bereich großes Fortschritte beobachten können, so sind wir mitnichten schon bei einer vollständigen Akzeptanz queerer Menschen angekommen. Und deshalb schwebt auch Nick jederzeit das Risiko im Kopf herum, dass jemand seine Sexualität und damit ihn als Person ablehnt.

Gerade im Schulkontext und in diesem Alter hatten wir wohl alle das Gefühl, möglichst vielen Konflikten aus dem Weg zu gehen. Möglicherweise hatten wir auch die Vorstellung, dass wir von jedem gemocht werden sollen. Aber diese Illusion schafft meist nur das Problem, uns selbst vor unserem Umfeld zu verstecken, uns zu schaden. Charlie hat das in der Serie schon durchgemacht, ist nach seinem Outing durch die Hölle gegangen. Er hat aber auch erkannt, wie wichtig ein unterstützender Freundeskreis ist. Menschen, die einen so lieben, wie man ist. Ganz deutlich wird dies bei den zwei Gruppentreffen nach der Schule. An Charlies Geburtstag lernt Nick seine Clique kennen und fühlt sich direkt wohl. Bei einem Kinobesuch mit Nicks Rugby-Freunden herrscht jedoch eine ganz andere Stimmung. Vor allem Charlie fühlt sich unwohl, sind dabei doch Harry und Ben anwesend. Diese beiden Szenen zeigen einmal mehr, welch Einfluss das eigene Umfeld auf das Selbst hat. Nick zweifelt deshalb daran, überhaupt noch mit seinen Freunden Zeit zu verbringen. Denn auch er fühlt sich dadurch immer unwohler.

Daneben hat Nick wohl seine größte Herausforderung noch zu meistern: Zu verstehen, wer er überhaupt ist. Er sucht im Internet nach Antworten, macht einen Gay-Test, ließt sich durch Foren und Nachrichten und bricht überwältigt und mit Tränen im Gesicht ab. Es macht ihm Angst, das Ungewisse, die möglichen Folgen, der Weltschmerz der Queercommunity. Rettung findet er schließlich bei Tara, für die er vor einigen Jahren Gefühle hatte. Als sie sich vor ihm outet und ihre Freundin Darcy vorstellt, findet Nick eine Person, der er sich abseits von Charlie anvertrauen kann. Und sie hilft ihm dabei, seine Ängste zu nehmen und zu lernen, mit den Herausforderungen umzugehen und sich mehr und mehr zu akzeptieren. Und auch, wenn Tara selbst noch lange nicht dabei ist, selbstsicher mit sich und ihrer Sexualität umzugehen, ist sie für Nick in gewisser Weise ein Vorbild, ein Anker in seiner Unsicherheit.

Charlie hingegen kämpft vor allem mit seinem Selbstvertrauen. Die schwierige Zeit im Anschluss an das Outing und auch die toxische „Beziehung“ zu Ben sorgten dafür, dass er sich häufig fehl am Platz fühlt. Als Höhepunkt dieser Selbstzweifel fragt er sogar, ob es nicht vielleicht besser sei, er existiere nicht. Doch die Freundschaft mit Nick, die Unterstützung seines Freundeskreis und auch dei Unterstützung seiner großen Schwester ermutigen ihn, diese negativen Gefühle nicht die Oberhand gewinnen zu lassen. Charlie ist unsicher, will sich niemanden aufdrängen. Er hat Angst, im Mittelpunkt zu stehen und das Leben von Anderen negativ zu beeinflussen. Dabei ist er dei entscheidende Person, der Nicks Leben positiv verändert, die verständnisvoll ist liebenswürdig ist. Natürlich können wir das in der Außenperspektive immer gut bewerten, uns selbst jedoch einzuschätzen, ist eine ganz andere Herausforderung.

Authentizität für die Thematik

Heartstopper zeichnet seine Charaktere bedacht, gibt ihnen eigene
Probleme, schöne Momente und Höhepunkte. Die Serie baut nicht die typischen
dramatischen Wendungen ein, sie gibt sich nicht dem typisch dramatischen Wahn
queerer Filme und Serien hin. Und sie belässt es nicht bei einem queeren Duo, sie begleitet weitere queere Charaktere. Da ist Elle, ein Transmädchen, die sich in der neuen Schule orientieren und Anschluss finden will. Tara und Darcy, zwei lesbische Schüler:innen, die langsam ihre Beziehung zueinander öffentlich machen. Heartstopper ist voll von queeren Charakteren, mit der großen Besonderheit, dass die Schauspieler:innen hinter ihnen genauso queer sind. Auch wenn das nicht zwangsläufig ein unbedingtes Kriterium sein muss, so hilft es in diesem Fall ungemein, sich mit den Charakteren zu identifizieren. Vermutlich, weil man das Gefühl hat, dass sie selbst wissen, welche persönlichen Päckchen man als queere Person zu tragen hat. Möglicherweise auch deshalb ist Heartstopper so ein Phänomen. Die Schaupieler:innen identifizieren sich stark mit dem Projekt, laufen auf Pride-Demonstrationen mit, betonen die Wichtigkeit der Serie und ihren Stolz, ein Teil darin zu sein. Und das nehmen nicht nur sie so wahr. Heartstopper heimst zahlreiche Preise ein, wird von vielen Kritiker:innen gelobt, von der queeren Community gefeiert.

Auch wenn Nick in der Öffentlichkeit noch unsicher ist, drückt er seine Gefühle zu Charlie bei jeder Gelegenheit immer stärker aus. Und das tut Beiden sehr gut.

Copyright: Netflix

Dazu hilft auch, dass der Cast jung ist, manche davon vor der Serie noch gar nicht wirklich in Erscheinung traten. Nick etwa ist kein 25-jähriger Bodybuilder, der hoffnungslos von der Maske auf jung geschminkt werden muss. Die Teenie-Serie besteht eben auch aus Teenies, nicht aus Erwachsenen. Das tut ihrem Talent jedoch keinen Abbruch. Das Schauspiel ist authentisch und unglaublich gut.

Feelgood statt Frust

Auf der Welt läuft vieles, sagen wir mal, nicht rund. Und auch Filme und Serien spiegeln das häufig wider. Auch in Heartstopper sind wir weit davon entfernt zu sagen, dass wir in einer konfliktfreien Utopie leben, in der sich alle zufrieden die Hand geben. Aber bei Heartstopper bekommen diese Gefühle eben nicht den prominentesten Raum. Es sind die guten Dinge, die gemeinsamen, glückserfüllten Momente zwischen Nick und Charlie, die entspannten Events im Freundeskreis, die verständnisvollen Eltern. Auch die wohl eindrücklichstes Szene zum Ende der Serie, das Outing Nicks vor seiner Mutter, endet positiv. Sie unterstützt ihn, freut sich, entschuldigt sich, falls sie ihm das Gefühl gegeben haben sollte, er könne es ihr nicht sagen. Manche mögen hierbei kritisieren, das sei zu dick aufgetragen, vielleicht nicht realistisch. Doch die Serie will hierbei auch eine Message verbreiten: Steh zu dir selbst, zu deinen Gefühlen. Du wirst Menschen haben oder finden, die dich dabei unterstützen. Und das ist insbesondere für Menschen der Queer-Community eine unglaublich wichtige Nachricht. So häufig musste man sich bisher gescheitere Outings, verstoßende Eltern, verständnislose Freunde medial verfolgen. Heartstopper setzt diesen Trend nicht fort und das ist wohl das Erfreulichste und Wichtigste daran.

Teile diesen Artikel gerne!

Exclusive Content

Be Part of Our Exclusive Community