
Copyright: 2019 eOne Germany
2019 konnte sich Green Book von Regisseur Peter Farrelly die Statue der Oscars als Bester Spielfilm einheimsen könnten. In Deutschland wurde der Film noch mit dem Zusatz „Eine besondere Freundschaft“ versehen. Tatsächlich handelt es sich bei dem Film um ein Roadmovie, wie es kaum noch zu sehen ist. Und um ein unterhaltsames obendrein. Doch seinem Erscheinen konnte der Film nicht nur positive Reaktionen auslösen.
Wir schreiben das Jahr 1962, Tony „Lip“ Vallelonga (Viggo Mortensen) arbeitet in einem Nachtclub in New York als Türsteher. Als der Club geschlossen wird, ist er arbeitslos und versucht verzweifelt, Geld für seine Familie einzutreiben. Er ist Kind italienischer Einwanderer und lebt mit seiner Frau und den Kindern in der Bronx. Sie fristen ein einfaches Leben mit Freunde, die ebenfalls Italoamerikaner sind und in ihrer Nachbarschaft leben. Obwohl diese in den 1960er Jahren nicht gerade hohes Ansehen in der amerikanischen Gesellschaft genießen, gibt es noch eine Gruppe, die weitaus problematischer behandelt wird – die der Afroamerikaner. Auch Tony Lip macht sich dieser Alltagsrassismus bemerkbar, etwa wenn er schwarze Arbeiter bei sich im Haus überwacht.
Plötzlich bekommt Tony ein lukratives Job-Angebot: er soll einen Jazz-Pianisten auf einer Tour begleiten, die auch durch die Südstaaten führt. Als er für ein Vorstellungsgespräch bei seinem Auftraggeber Dr Don Shirley (Mahershala Ali) erscheint, stellt er mit Überraschung fest, dass dieser schwarz ist. Ein Schock für Tony, doch er braucht das Geld und willigt ein. Mit der Bedingung, an Weihnachten wieder bei seiner Familie zu sein. Es beginnt ein langer Trip quer durch Amerika, zwei lange Monate. Eine Zeit, in der Tony und Dr Shirley miteinander auskommen müssen. Und beginnen, einander zu verstehen. Vor allem für Tony wird diese Zeit sehr prägend sein.

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Auch wenn es das Setting vielleicht vermuten lässt, ist Greenbook kein klassisches Rassismus-Drama. Peter Farrelly wandelt hierbei gekonnt mit Zwischentönen, stets mit einer Prise Humor. Gleich zu Beginn ändert er die Hierarchie, Tony Lip muss sich als Angestellten eines Schwarzen zurechtfinden – wider seiner bisherigen Vorbehalte. Das führt zu einigen skurrilen und manchmal grenzüberschreitend stereotypischen Situationen, die jedoch durch das veränderte Kräfteverhältnis wieder meist einen Twist bekommen. Gerade die Leichtigkeit, die Green Book trotz aller Widrigkeiten umgibt, macht diesen Film besonders.
Und ist der Anlass zur Kritik Vieler. Sicherlich verständlich, denn Green Book bleibt in seiner Tonalität häufig oberflächlich. Es wird gezeigt, dass Don nicht in jedem Hotel wohnen kann, nicht in jedem Laden erwünscht ist. Und je weiter die beiden in die Südstaaten kommen, desto mehr rassistische Vorbehalte, Einschränkungen und Hass begegnet ihm. Mehr als ein paar Minuten macht dies jedoch meist nicht aus, ehe eine problematische Situation wieder entschärft wird. Dem Anspruch, ein tiefgreifendes Rassismus-Drama zu sein, wird Green Book definitiv nicht gerecht. Auch weil Don Shirley zwar schwarz, durch seine Position als wohlhabender Pianist nicht ganz am Boden der Gesellschaft steht.

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Green Book wählt jedoch einen anderen Ansatz, den Zuschauer:innen die Thematik näherzubringen. Ganz bewusst schlüpfen wir in die Rolle von Toni Vallelonga. Er pflegt ein einfaches Gemüt und ist keineswegs böswillig. Trotzdem ist er vor Vorurteilen und Rassismus nicht befreit, was wir gerade zu Anfang des Films merken. Das passiert über Bemerkungen und Bezeichnungen Aber auch wenn Don Shirley bestimmte Eigenschaften zugeschrieben werden. Greenbook wählt hierbei den Ansatz, Tony Lip durch die Bekanntschaft mit Don Shirley zu verändern. Das passiert vor allem durch das Anfreunden und die gemeinsamen Erlebnisse. Er begleitet ihn auf der Tour und muss ihn aus zahlreichen brenzligen Situationen befreien. Dabei merkt er, wie privilegiert er trotz seiner eigenen Situation ist. Dieses Verständnis durch die Annäherung an eine Person, die durch ihre Hautfarbe täglich Rassismus ausgesetzt ist, lässt ihn läutern. Es geht hierbei also um Wandel durch Erfahrung, ein sehr klassischer Grundsatz. Denn Vorbehalte und Vorurteile entstehen vor allem dort, wo derlei Erfahrungen nicht gemacht werden können. Blicken wir auf ähnliche Verhältnisse wie etwa Angst vor Migrantinnen in Deutschland, so können wir feststellen das vor allem Bereiche, die eine niedrige Quote an Menschen mit Migrationshintergrund aufweisen, eine hohe Dichte an Menschen mit rassistischen Vorurteilen darstellen. Insbesondere Rassismus hat eine starke Systematik, die sich vor allem durch Angst vor dem in Anführungszeichen anderem ernährt.

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Green Book ist mehr eine leichter Fingerzeig auf das, was es eigentlich braucht: Erfahrung und Austausch. Klar ist dies noch lange keine Lösung für strukturellen Rassismus. Und noch weniger für Menschen, die diesen voller Inbrunst leben. Aber vielleicht eine Idee für den Rest, der mit Scheuklappen vor die Haustür geht. Und auch für jene, die vergessen haben, sich in andere Menschen und ihre Probleme hineinzuversetzen, ohne dabei zu moralisch zu werden. Und das gelingt Farelly wirklich gut.
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