
Copyright: Lionsgate / Thunder Road Films / 87eleven
Warum gehen wir eigentlich noch ins Kino? Wir haben doch mittlerweile fast alles zuhause. Ob einen großen Fernseher, der mittlerweile total erschwinglich ist. Die Snacks, die wir in der Pandemie gelernt haben, uns selbst zuzubereiten. Und auch an Filmangebot mangelt es durch diverse Streaminganbieter nicht. Die Frage dürfte also schwer zu beantworten sein – oder doch nicht?
Ganz so schwierig ist es dann doch nicht. Filme können gemeinsame Erlebnisse werden, wenn man im vollen Kino mitfiebert, sich in einer Sneak Preview einen Film anschaut, den man zuhause niemals gestartet hätte. Oder man schaut sich Etwas an, das für die große Leinwand geschaffen ist. John Wick 4 von Chad Stahelski erfüllt zumindest zwei dieser Dinge. Er sieht großartig aus, die Action kommt im Kino so richtig zur Geltung und zuweilen geht ein Raunen und Grölen durch das Kino, wenn es mal wieder zur Sache geht.

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Schon wieder wird John Wick (Keanu Reeves) gejagt, das dürfte er mittlerweile gewöhnt sein. Doch die Hohe Kammer setzt einen neuen Mann an, den Marquis Vincent de Gramont (Bill Skarsgård), der John Wick um jeden Preis finden und töten will. Und er schlägt vor nichts zurück: Alte Freunde des Auftragskillers werden angegriffen, ihrer Existenz geraubt. Doch John Wick, der zuvor im Untergrund wieder zur Kräften gekommen ist, läuft nicht weg. Er sinnt sich nach Rache gegen die Hohe Kammer und nimmt Viel auf, um an sein Ziel zu gelangen. Doch leider stellen sich auch alte Freunde in seinen Weg und machen ihn so noch steiniger.

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Viel mehr braucht man zur Geschichte von John Wick wohl nicht zu sagen. Denn die ist wirklich nicht die größte Stärke des Films. Wie schon der dritte Teil wirkt er etwas überfrachtet. Es werden viele Charaktere vorgestellt, Familien und Gangster oder alte Weggefährten. Und auch die Schauplätze werden nun fast noch häufiger gewechselt, als dies bei der James Bond-Reihe der Fall ist. Hier büßt der Film gegenüber Teil eins und zwei viel an Atmosphäre ein. Gerade im ersten Film von 2014 war Johns Mission eine recht persönliche, auch wenn diese in ihrer Drastik vielleicht etwas überdramatisiert wurde. Geschickter war jedoch die Andeutung einer Welt hinter der Geschichte. Das Continental Hotel, bei dem man erfuhr, dass es ein neutraler Boden sei, von dem aus keine „Geschäfte“ erledigt werden durften. Auch das Wesen, das John Wick früher einmal gewesen ist, wurde fragmentartig angeschnitten. Mit zunehmenden Teilen wurde die Welt klarer und größer – aber auch ein wenig entmystifiziert. Denn einige Elemente wirkten sehr dahingebogen, John Wicks Motivation nicht mehr so ganz greifbar. Der viertel Teil setzt genau da an, wo sein Vorgänger aufhörte. Wick ist leider zu einem Mann der Oneliner geworden, der gar nicht mehr seine eigene Mission erklären darf. Auch wenn der Antagonist, der von der Hohen Kammer eingesetzte Marquis, wohl der bisher beste Widersacher der Reihe ist und auch Wicks „Wegbegleiter“ immer wieder schöne Momente bekommen. So vollends überzeugend ist die nicht immer, da wenig Platz für Menschlichkeit und Gespräche ist. Insgesamt wirken die Dialoge im Film sehr holzschnittartig, fast schon wie in einem Comic. Ist John Wick 4 also gar nicht gut?
Falsch gedacht. Denn wo John Wicks Geschichte abbaut, ist viel Platz für Action. Und diese Action übertrumpft sich in jedem Teil. Während zu Anfang noch recht klassisch inszeniert wird und wenig Überraschung aufkommt, kommt der zweite Teil so richtig in Fahrt. John Wick 4 ist ein Actionfest mit Kampfszenen, die so gut wohl noch nie in einem Film zu sehen waren. Nicht nur, weil sie nah dran am Geschehen sind. Hier trumpft das Können und die Erfahrung von Regisseur Chad Stahelski im Inszenieren der Action auf: Sie ist abwechslungsreich, die Einstellungen lang und arten nie in einem Schnittgewitter aus.

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Doch der Film setzt noch einen drauf: Plötzlich befindet sich John am Arc de Triomphe, kämpft gegen seine Widersacher zwischen rasenden Autos. Oder ist in einem verlassenen Haus und muss sich seinen Weg freischießen, während die Kamera aus einer von Oben auf das Geschehen herabfilmt – und das ohne Schnitt. Es sind Szenen wie diese, die den Film actiontechnisch auf ein ganz neues Level heben. Die schieren Einfälle der Choreographien, die Physis, die im Kino regelrecht zu spüren ist, all das macht John Wick auch in seinem vierten Teil mehr als sehenswert. Hinzu kommt, dass die Sets abwechslungsreich und toll gestaltet sind. Man möchte viele Szenen einfach anhalten und auf sich wirken lassen. Das Neonlicht in Clubs, der Kerzenschein der Kirche oder die Großstädte bei Nacht – Alles ist ein wirklicher Augenschmaus. Hier kann man behaupten, dass der Stil der Substanz dahinter vorgezogen wird. Und das ist in diesem Fall völlig legitim. John Wick sieht unglaublich gut aus, hat die perfekte Action. Und kann damit verschleiern, dass die Geschichte alles andere als eine Wucht ist. John Wick 4 ist bei weitem nicht perfekt – aber so ist das Leben.
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